Jungs lesen für Jungs

Ältere Jungs lesen für junge Jungs

In der Stadtbücherei: Geschichten, die die Sechstklässler begeistern. Bürgermeister, Polizist, Lehrer und Schüler tragen aus Büchern vor, die sie sich für diese besondere Gelegenheit ausgesucht haben

Von Andreas Sundermeier


Spenge. Schon zum sechsten Mal lädt Regina Schlüter- Ruff Vorleser in die städtische Bücherei ein. Das Motto lautet „Jungs lesen für Jungs“. Und so sind auch tatsächlich nur „Jungs“ dabei, die den Schülern – jeweils 50 bis 60 Jungen aus den 6. Klassen der Regenbogen Gesamtschule“ – vorlesen. Und die Büchereileiterin.

Gestern saßen Joshua Grothaus, Ulrich Müller, Arthur Sperling und Bernd Dumcke vor den Schülern und lasen. Die Kinder hörten gespannt zu, als Bürgermeister Bernd Dumcke (55) begann. Er selbst erinnert sich noch gut an das Buch, dass ihn in seiner Jugend gefesselt hatte: „Das war nicht das erste Buch, aber eines, das ich bis in die frühen Morgenstunden verschlungen habe: Papillon von Henri Charrière.“ Gestern für die Kinder und früher beim Vorlesen für seinen Sohn hatte er „leichtere Kost“ gewählt. Er erinnert sich noch gut: „Ich hatte beim Vorlesen immer den Eindruck, dass es ihm einen Riesenspaß gemacht hat. Und dass es bei ihm die Lust aufs Lesen gefördert hat.“

Ähnliches berichtete auch der Polizei-Bezirksbeamte Ulrich Müller (59), der ganz offiziell in Uniform vortrug. Er liest auch heute noch, wenn seine Kinder „alle über 30“ daheim sind, vor aus: „Hilfe, die Herdmanns kommen“. „Da sind sich alle einig: Mama und Papa im Hause Müller lesen vor. Und das ist dann immer strapaziös für die Lach-Bauchmuskeln.“ Er erinnert sich auch gern an sein erstes Lieblingsbuch: „Winnetou I“ von Karl May. „Bis auf zwei Bände habe ich jetzt alle aus dieser Reihe. Natürlich auch die von Kara Ben Nemsi.“

Arthur Sperling (28) ist Lehrer für Deutsch und Musik an der Gesamtschule Spenge. Das erste Buch, das ihn faszinierte, war „Aladin“. „Damals mit vielen Bildern.“ Er sagt: „Lesen macht nicht nur mehr Spaß als Fernsehgucken, sondern erzeugt auch Bilder im Kopf. Und viel wichtiger: Es erweitert den Wortschatz. Das kann ich als jemand mit Migrations-Hintergrund bestätigen.“ Sperling hat eine feste Lesezeit für seine Schüler eingerichtet. Und er sagt: „Ich hätte es nicht gedacht, aber die Schüler nehmen dieses Angebot an. Jeder liest; in seiner Geschwindigkeit und das, was er will. Aber es wird gelesen.“

Beim jüngsten Vorleser im Bunde, dem 18-jährigen Joshua Grothaus, ist es nun noch nicht mehrere Jahrzehnte her, dass er mit dem Lesen begann. Seine ersten großen Leseerlebnisse hatte er bei den Büchern von Daren Shaw, der ihn mit der Welt von Dämonen und Vampiren vertraut machte.

Was die Kinder lesen, ist Büchereileiterin Regina Schlüter-Ruff zunächst einmal egal. Es gibt auch keine spezielle Bücherecke für 11- und 12-jährige Jungen. Aber sie weiß schon, was aktuell „in“ ist: Fantasy und Abenteuer, Ritter und Piraten. Dazu kämen noch spannende Sachbücher. Und sie weiß: Jungen haben beim Lesen oft Defizite. Die abzubauen, helfe der Vorlesetag.

© 2017 Neue Westfälische
10 – Enger-Spenge, Donnerstag 09. November 2017

 

Vier Geschichten von Jungen, Vätern, Monstern und Göttern

„7 Minuten nach Mitternacht“ von Patrick Ness liest Joshua Grothaus. „Das Buch ist von Anfang an spannend und die Geschichte ist bewegend erzählt. Es geht um einen Jungen, dessen Mutter sehr krank ist, und dem ein Monster hilft, einen immer nach Mitternacht wiederkehrenden schlimmen Traum zu vertreiben.“

In „Mein Freund Charlie“ von Tanya Lieske geht es um einen lettischen Schuljungen, dessen Vater beschließt, während der Sommerferien zusammen mit seinem Sohn nach Deutschland zu kommen, um dort zu arbeiten. Ulrich Müller liest daraus vor und tut das, „weil es derzeit mit Sicherheit 100 ähnliche Fälle gibt, in denen die Erwartungen von Menschen nicht erfüllt werden; auch, weil die Voraussetzungen – das Deutschsprechen – nicht erfüllt werden.

„Die Abenteuer des Apollo – Das verborgene Orakel“ von Rick Riordan hat Arthur Sperling gewählt. „Weil ich Lehrer in der 6. Klasse bin, und die Geschichten um Percy Jackson in diesem Alter viel gelesen werden. Zur Geschichte: Apollo fällt bei Zeus in Ungnade, findet sich zur Strafe als Teenager in der Jetztzeit wieder und lernt dort die Halbgöttin Mag kennen. Es gibt Probleme und Percy Jackson hilft.

„Super-Bruno“ von Håkon Øvreås beschreibt die Geschichte eine kleinen Jungen. Lesepate Bernd Dumcke sagt: „Er und seine Freunde werden von älteren Kindern geärgert und ihre Hütte wird zerstört. Nachts werden sie mutig und rächen sich. (-as)

 

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10 – Enger-Spenge, Donnerstag 09. November 2017